Neues Erbrecht 2023 – welche Änderungen gibt es?

7. März 2023

Eine Änderung im Erbrecht 2023 sorgt für höhere verfügbare Quoten


Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die gesetzlichen Erbteile bleiben unverändert.

  • Die Pflichtteile werden reduziert; der Erblasser kann auf Wunsch mehr regeln.

  • Im Scheidungsverfahren gilt weiter die gesetzliche Erbfolge.

  • Im Scheidungsverfahren gibt es neu keinen Pflichtteilsanspruch mehr für den überlebenden Ehepartner, sodass der Erblasser durch testamentarische oder erbvertragliche Regelungen diesen komplett ausschliessen kann.

→ Bestehende Testamente und Erbverträge sollten aufgrund der neuen Bestimmungen überprüft werden.

Das Erbrecht wurde per Januar 2023 teilweise revidiert. Damit ändern sich die geschützten Quoten der Erbteile, die sogenannten «Pflichtteile». Der Pflichtteil ist im Erbrecht das Minimum des Anteils am Erbe, welches den pflichtteilsgeschützten Erben per Gesetz zusteht. Das Recht verkleinert diese Quoten, damit hat der Erblasser höhere Verfügungsmöglichkeiten über seinen Nachlass. Diese Änderung des Erbrechts 2023 möchten wir mit dem folgenden Beispiel illustrieren.

Das neue Erbrecht ab 2023 an einem Beispiel veranschaulicht:

Daniela, mit einem Sohn aus erster Ehe, lebt mit ihrem neuen Partner Thomas zusammen in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, einem sogenannten Konkubinat. Im Jahr 2015 machte sie ein Testament: "Ich setze meinen Sohn auf den Pflichtteil, Thomas soll den freiwerdenden Teil erben."

Bei Errichtung des Testaments im Jahr 2015 war die frei verfügbare Quote ¼. Wäre Daniela 2018 gestorben, so hätte ihr Sohn als direkter Nachkomme einen Pflichtteilsanspruch von ¾ gehabt. Ab dem Jahr 2023 ist die frei verfügbare Quote ½. Damit hat ihr Sohn nur noch einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch von der Hälfte. Die Frage ist, ob das konkret formulierte Testament von Daniela ihren Willen als Erblasserin auch nach dem Inkrafttreten des neuen Erbrechts 2023 ohne Zweifel ausdrückt.

Es ist also ein Unterschied, ob Daniela im Testament bzw. Erbvertrag schreibt: "Ich setze meinen Sohn auf den Pflichtteil" oder "Ich setze meinen Sohn auf den Pflichtteil von ¾" oder "Ich setze ihn auf den Pflichtteil von ¾, mein Partner soll maximalbegünstigt werden, weil er mit seiner kleinen Rente jeden Franken brauchen wird und mein Sohn als Angestellter in leitender Funktion ein sehr gutes eigenes Einkommen hat."

Gerade im letzten Fall stellt sich im Hinblick auf das neue Erbrecht ab 2023 die Frage, ob Daniela nicht – wenn sie es 2015 bereits gekonnt hätte – ihren Sohn auf den Pflichtteil von ½ statt auf ¾ gesetzt hätte, weil sie offensichtlich ihren Lebenspartner meistbegünstigen wollte.

Änderung im Erbrecht ab 2023: Es kommt auf die exakte Formulierung im Testament an

Die genaue Formulierung ist also sehr wichtig, damit der Wille des Erblassers hinsichtlich der Aufteilung seines Nachlasses klar erkennbar wird. Es empfiehlt sich das eigene Testament bzw. den Erbvertrag nun nach der Gesetzesänderung zu überprüfen und gegebenenfalls klarstellend zu ändern, je nachdem, was man regeln möchte. Bei einer unklaren Formulierung wird das Testament per Gesetz durch Auslegung hinsichtlich des Willens des Erblassers bestimmt. Wenn dieser jedoch nicht deutlich formuliert ist, dann besteht eine Unsicherheit, die in einem Rechtsstreit über den Nachlass enden kann. Um das für seine Hinterbliebenen zu verhindern, ist es wichtig so klar und deutlich wie möglich zu formulieren, was man mit der Regelung wollte bzw. das Testament gegebenenfalls zu aktualisieren. Es ist also ratsam, wenn Testament oder Erbvertrag vor den Änderungen im Erbrecht 2023 verfasst wurden, diese nochmal juristisch prüfen zu lassen.

Auch in der folgenden Konstellation ergeben sich nach dem neuen Erbrecht ab 2023 Änderungen:

  • Daniela ist mit ihrem Lebenspartner Thomas zusammen. Die beiden sind nicht verheiratet. Danielas Eltern leben noch, Kinder hat sie keine. 2015 macht sie ein Testament und schreibt: "Ich setze meine Eltern auf den Pflichtteil. Thomas soll den frei verfügbaren Teil erben."

Hier ist die frei verfügbare Quote bei Errichtung des Testaments ½, das heisst die Eltern haben zusammen einen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch von der Hälfte. Thomas erhält die andere Hälfte. Ab 2023 haben die Eltern laut Gesetz keinen Pflichtteilsanspruch mehr. Das heisst Daniela kann gemäss dieser neuen Regelung Thomas testamentarisch ihr gesamtes Vermögen vermachen. Auch hier ist es empfehlenswert nach der Änderung im Erbrecht 2023 den eigenen Willen klar zum Ausdruck zu bringen, sodass es zwischen den Überlebenden erst gar nicht zu unschönen Streitigkeiten um die Erbteile kommen kann.

Änderungen für die Zeit des Scheidungsverfahrens

Neben Änderungen bei Paaren, die im Konkubinat zusammenleben, ergeben sich weitere gesetzliche Änderungen im Hinblick auf ein Testament während des Scheidungsverfahrens:

Ab Inkrafttreten des neuen Erbrechts 2023 gilt, dass der überlebende Ehegatte während des laufenden Scheidungsverfahrens per Gesetz keinen Pflichtteilsanspruch mehr innehat. Der Ehegatte bleibt grundsätzlich (wie bisher) bis zur Rechtskraft der Scheidung gesetzlicher Erbe, aber dies kann testamentarisch abgeändert werden. Das heisst ein Ehepartner kann neu während des Scheidungsverfahrens regeln, dass der Noch-Ehepartner vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden soll.

Wenn Sie hinsichtlich der Formulierung des Testaments oder Erbvertrags Fragen haben oder für Sie als (potentielle/r) Erbin oder Erbe im Hinblick auf die Erbteilung Unklarheiten bestehen oder Sie diese im Rahmen einer Mediation vornehmen möchten – oder bei allen anderen Fragen rund um das neue Erbrecht ab 2023 – sind wir gerne für Sie da.

Nutzen Sie die untenstehenden Kontaktdaten zu unserem Advokaturbüro und schildern Sie Ihr Anliegen für eine persönliche Rechtsberatung. Unsere Anwältinnen in Rheinfelden freuen sich auf Ihre Anfrage.

Ihre Ansprechpersonen
Michèle Dürrenberger
Anwältin
+41 61 836 40 20 m.duerrenberger@m-und-d.ch
Sandra Mäder
Mediatorin, Coach, Anwältin
+41 61 836 40 20 s.maeder@m-und-d.ch

Haben Sie Fragen?
Wir beraten Sie gerne!